Österreichisches Arbeitsrecht regelt die unselbständige, abhängige Erwerbstätigkeit und gliedert sich in Individualarbeitsrecht (Arbeitgeber–Arbeitnehmer) und Kollektivarbeitsrecht (Kollektivverträge, Betriebsräte etc.). Zentrale Materien sind u. a. ArbVG, AVRAG, AngG/ABGB (inkl. § 1159 ABGB für Arbeiter), AZG/ARG, UrlG/EFZG, ASchG sowie Schutzgesetze (MSchG, VKG, KJBG) – ergänzt durch Judikatur des OGH/VwGH. Nachfolgend findest du eine kompakte, quellenbasierte Übersicht (Stand 03.09.2025).
Das Arbeitsrecht umfasst alle Gesetze, Verordnungen und sonstige verbindliche Bestimmungen zur unselbständigen, abhängigen Erwerbstätigkeit. [Wikipedia]
1 | Einleitung – Was ist Arbeitsrecht?
Arbeitsrecht umfasst alle Normen zur abhängigen Erwerbstätigkeit (persönliche Weisungs-/Organisationsgebundenheit = „persönliche Abhängigkeit“). Diese grenzt den echten Arbeitsvertrag (§ 1151 ABGB) vom freien Dienstvertrag und Werkvertrag (§ 1165 ABGB) ab; maßgebliches Kriterium ist die Eingliederung in fremde Arbeitsorganisation (Zeit, Ort, Kontrolle).
Inhaltlich unterscheidet man das
- Individualarbeitsrecht (Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer) und das
- Kollektivarbeitsrecht (Verhältnis zwischen Gewerkschaften und Betriebsräten, Personalräten bzw. Mitarbeitervertretungen oder der Arbeitsrechtlichen Kommission auf der einen Seite und den Arbeitgeberverbänden und Arbeitgebern auf der anderen Seite)
Individualarbeitsrecht
Das Individualarbeitsrecht regelt die Rechtsbeziehungen zwischen einzelnen Arbeitnehmern und Arbeitgebern.
- Arbeitnehmer-Begriff & Abgrenzung
- Echter Arbeitnehmer: persönliche Abhängigkeit; Weisungs-/Kontrollunterworfenheit. OGH-Rechtssatz RS0021332 (ständige Rspr).
- Freier Dienstnehmer: Leistung ohne persönliche Abhängigkeit (freie Zeiteinteilung etc.), RS0021518 (ständige Rspr).
- Werkunternehmer: schuldet konkreten Erfolg (§ 1165 ABGB). RIS
- Sozialversicherungsrechtlich knüpft die Pflichtversicherung an persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit an (VwGH). RIS
- Arten von Arbeitnehmern
- Angestellte (AngG; kaufmännische/gehobene Dienste)
- Arbeiter (vor allem ABGB/EFZG/UrlG; seit 2021 weitgehend gleichgestellte Kündigungsfristen via § 1159 ABGB).
- Beschäftigungsgebote /-verbote
- Arbeitsvertrag – Form & Mindestinhalte
- Arbeitsvertrag: Zweiseitiger, entgeltlicher Vertrag über Arbeitsleistung in persönlicher Abhängigkeit (Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation; Bindung an Arbeitszeit/-ort/Kontrolle); Abgrenzung zu freiem Dienst- und Werkvertrag nach den tatsächlichen Verhältnissen. OGH-Leitsatz RS0021332 präzisiert dieses Abhängigkeitskriterium.
- formfrei: Verträge sind grundsätzlich formfrei; die Form hat auf die Verbindlichkeit keinen Einfluss, sofern das Gesetz nichts anderes anordnet (§ 883 ABGB). Arbeitsverträge können daher wirksam mündlich oder konkludent zustande kommen.
- Kein gesetzlicher Pflicht-Inhalt für die Gültigkeit: Auch ohne ausdrückliche Entgeltabrede ist der Vertrag nicht nichtig; dann gilt ein angemessenes Entgelt als bedungen (§ 1152 ABGB).
- Dienstzettel (§ 2 AVRAG): Der Dienstzettel ist die schriftliche (oder elektronische) Aufzeichnung der wesentlichen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, die unverzüglich nach Beginn auszuhändigen ist (§ 2 Abs 1 AVRAG). Er ist deklaratorisch (Beweisurkunde), begründet kein Arbeitsverhältnis und ersetzt den Vertrag nicht (ständige OGH-Rspr: RS0016866). Keine Pflicht zum Dienstzettel, wenn ein schriftlicher Arbeitsvertrag alle Angaben des § 2 Abs 2 und 3 AVRAG enthält (§ 2 Abs 4 AVRAG). – Pflichtangaben im Dienstzettel (§ 2 Abs 2 AVRAG)
- All-in-Transparenz: Aufschlüsselung Grundgehalt/Überstunden (§ 2g AVRAG) – OGH präzisiert All-in-Vereinbarungen (OGH 8OBA22/22a)
- Haupt- und Nebenpflichten
- Arbeitnehmer:
- die Arbeitsleistung persönlich (Hauptpflicht) (§ 1153 ABGB) => Arbeitspflicht: Dienste sind – mangels anderer Vereinbarung – in eigener Person zu erbringen; Art/Umfang richten sich nach Vertrag bzw. dem „den Umständen nach Angemessenen“. Das ist die zivilrechtliche Basis der Arbeitspflicht.
- Treuepflicht (Nebenpflicht)
- OGH: Arbeitnehmer müssen auf betriebliche Interessen Rücksicht nehmen (Fremdinteressenwahrung); umfasst u. a. Verschwiegenheit, Schutz von Geschäftsgeheimnissen, Unterlassen schädigender Außendarstellung. Treuepflicht wirkt in Einzelfällen nach Vertragsende fort (z. B. Geheimhaltung) RS0079608
- Wettbewerb während des Dienstverhältnisses dh. Schon während des aufrechten DV sind Wettbewerbsakte untersagt (§ 7 AngG). – Dr. Clemens Egermann / Dr. Sabine Hauer – Zu den Ansprüchen des Arbeitgebers nach § 7 Abs 2 AngG; zulässig bleiben bloße Vorbereitungshandlungen
- Arbeitgeber:
- Entgeltpflicht (Hauptpflicht)
- Ist kein Entgelt vereinbart, gilt ein angemessenes Entgelt als bedungen (§ 1152 ABGB)
- bei Krankheit/Unfall § 8 AngG bzw. EFZG §§ 2–3: Anspruchsdauer & „regelmäßiges Entgelt“ in § 3);
- Fürsorge- und Schutzpflicht
- Zivilrechtliche Generalklausel: § 1157 ABGB (Schutz von Leben und Gesundheit; Judikatur: umfasst auch materielle & immaterielle Interessen, aber Interessenabwägung mit AG-Interessen
- Konkretisierung durch öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz (ASchG) – siehe unten
- Entgeltpflicht (Hauptpflicht)
- Rechte am Arbeitsergebnis – Betriebserfindung & Urheberrecht
- Betriebserfindungen: Übernahmemöglichkeit/Anspruchsregel im Patentgesetz § 7.
- Urheberrechte: Bei Computerprogrammen gehen Verwertungsrechte idR auf den Arbeitgeber über (§ 40b UrhG).
- Arbeitnehmer:
- Arbeitnehmerschutz
- Gefahrenschutz & Verwendungsschutz (ASchG)
- Pflichten des Arbeitgebers (Generalklausel: § 3 ASchG): Schutz von Leben, Gesundheit, Integrität & Würde, inkl. Gefahrenverhütung, Information, Unterweisung, geeignete Organisation/Mittel.
- Evaluierung („Arbeitsplatzevaluierung“ § 4 ASchG ): Gefahren ermitteln und beurteilen; Grundsätze der Gefahrenverhütung anwenden; u. a. Arbeitsstätte, Arbeitsmittel, Arbeitsstoffe, Arbeitsorganisation, psychische Belastungen.
- Dokumentationspflicht (§ 5 ASchG): Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokument(e) – Ergebnisse der Evaluierung & Maßnahmen schriftlich festhalten; ggf. arbeitsplatzbezogen. RIS
- Information/Unterweisung: Beschäftigte ausreichend informieren (§ 12) und unterweisen (§ 14); Unterweisung während der Arbeitszeit und nachweislich. Praxisinfos: Arbeitsinspektion. (Praxisleitfäden der Arbeitsinspektion heben die Evaluierung psychischer Belastungen ausdrücklich hervor.)
- Mobbing: OGH leitet aus der Fürsorgepflicht Abwehr-/Einschreitepflichten ab; Verletzungen können Schadenersatz begründen (auch bei Überlassung/„fremdem Betrieb“). RS0111916
- Arbeitsinspektion (Kontrolle & Beratung – ArbIG)
- Aufgaben: Überwachung des Arbeitnehmerschutzes (u. a. Gesundheitsschutz, Kinder/Jugendliche, Arbeitszeit/-ruhe), Beratung, Betreten von Arbeitsstätten, Befragungen, Akteneinsicht. Gesetze FindenArbeitsinspektion
- Mitwirkungspflichten AG: Teilnahme/Vertretung bei Besichtigung (§ 4), Einsicht in Unterlagen (§ 8) gewähren. RIS+1
- Sanktionen: Übertretungen (z. B. Verweigerung der Einsicht) verwaltungsstrafbar (§ 24).
- Arbeitszeit & Arbeitsruhe (Arbeitszeitschutz)
- Normalarbeitszeit (AZG § 3): max. 8 h/Tag, 40 h/Woche (abweichende Verteilungen durch KV/BV/Einzelvereinbarung möglich). ÖGB-Verlag Digital
- Überstunden (AZG § 7): bei erhöhtem Arbeitsbedarf bis 12 h/Tag (inkl. ÜStd), durchschnittlich 48 h/Woche im 17-Wochen-Durchrechnungszeitraum; Wochenlimit ÜStd; weitere Detailvorgaben. RIS
- Wochenendruhe (ARG § 3): Anspruch auf 36 h ununterbrochene Ruhezeit pro Woche, Sonntag muss enthalten sein; Ausnahmen nur gesetzlich.
- Verwendungsschutz – besondere Schutzvorschriften
- Kinder und Jugendliche (KJBG / KJBG-VO)
- Arbeitszeit/Jugendliche: Grundsatz 8 h/Tag, 40 h/Woche; zusätzliche Ruhepausen/-zeiten, besondere Verbote (z. B. gefährliche Arbeiten). RIS
- Verbote/Beschränkungen (KJBG-VO): detaillierte Tätigkeitsverbote und Zulässigkeitsvoraussetzungen; Evaluierungspflichten i. S. d. § 23 KJBG.
- Werdende & stillende Mütter (MSchG)
- Beschäftigungsverbote: Acht Wochen vor und i. d. R. acht Wochen nach der Entbindung (Schutzfristen); individuelles Beschäftigungsverbot bei Gefahr. Zusatz: Nacht-/Sonn-/Feiertagsarbeit nur in engen Grenzen. RIS
- Stillzeit: Anspruch auf Freistellung zum Stillen; kein Entgeltausfall.
- Kinder und Jugendliche (KJBG / KJBG-VO)
- Gefahrenschutz & Verwendungsschutz (ASchG)
- Schadenshaftung
- Dienstnehmerhaftungsgesetz (DHG): abgestufte Haftung (leicht/mittel/grob), Mäßigungs-/Teilungsgrundsätze; stRsp OGH. (§ 2 DHG)
- Allgemeines Schadenersatzrecht: § 1293 f/§ 1295 ABGB; § 1014 ABGB (Aufwand-/Schadenersatz des Beauftragten – im Arbeitsverhältnis als betriebstypische Gefahr relevant).
- Beendigung von Arbeitsverhältnissen
- Befristung:
- Endet mit Fristablauf;
- Tod der Arbeitnehmer: Sonderfolgen (Ansprüche nach speziellen Gesetzen).
- Unbefristet:
- Kündigung: Fristen/Termine v. a. § 20/§ 21 AngG (Angestellte) und § 1159 ABGB (Arbeiter; Gleichlauf mit AngG).
- Vorzeitige Beendigung:
- Entlassung (Arbeitgeber) – Entlassungsgründe § 27 AngG;
- vorzeitiger Austritt (Arbeitnehmer). [AK – vorzeitiger Austritt]
- Einvernehmliche Auflösung & Probezeitauflösung: formlos möglich (Probezeit idR 1 Monat – kollektiv/vertraglich).
- Tod des Arbeitnehmers
- Rücktritt
- Kündigungsanfechtung (Betriebe mit BR): § 105 ArbVG – Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit/verpönter Motive (OGH). RS0051636 , OGH 9ObA64/18d
- Befristung:
Kollektivarbeitsrecht
- Kollektivverträge (KV):
- Kollektive Rechtsgestaltung;
- Geltungsbereich/Bindung aus § 2 ArbVG
- Betriebsrat (BR):
- Überwachungs-/Interventions-/Informations- und Beratungsrechte §§ 89–93 ArbVG;
- regelmäßige Beratungspflicht des Arbeitgebers. (§ 92 ArbVG)
- Betriebsvereinbarungen sind schriftlich (§ 29 ArbVG).
- Kündigungsanfechtung durch BR/AN: § 105 ArbVG (Fristen/Legitimation).
Bücher
- Bridul – Arbeitsrecht in Grundzügen (6. Auflage, 2010)
- Drs – Arbeits- und Sozialrecht (Lernen-Üben-Wissen) (2009)
- Löschnigg – Arbeitsrecht
- Reissner – Das neue Lern- und Übungsbuch – Arbeitsrecht (3. Auflage)
Links
zum Thema Lohn & Gehalt:
Gesetze
- allgemeine Gesetze
- Gesetze für spezielle Arbeitnehmer
- Schutzgsesetze
- Arbeitszeit/Urlaub/Krankheit
- sonstige Gesetze
- ArbIG – Arbeitsinspektorratgesetz
- AKG – Arbeiterkammergesetz
- APSG – Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz
- BMSVG – Betriebliches Mitarbeiter- und Selbständigenversorgungsgesetz
- BPG – Betriebspensionskassengesetz
- PKG – Pensionskassengesetz
- IEFG – Insolvenz-Entgelt-Fornds-Service-GmbH-Gesetz
- IESG – Insolvenz-Entgeltsicherungs-Gesetz