Eltern fragen häufig, ob die Schule das Jahreszeugnis erst auf Nachfrage ausgeben dürfe. Die Antwort lautet: Nein – das Zeugnis muss von Amts wegen am letzten Schultag ausgehändigt werden. Im Folgenden finden Sie:
- Rechtsrahmen
- Pflichten der Schule & typische Stolpersteine
- Muster für eine „Schriftliche Erinnerung“ an die Direktion
- Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Dienstaufsichtsbeschwerde
- Optionen, wenn auch die Behörde untätig bleibt
- FAQ & Praxistipps
1 | Rechtsrahmen kurz erklärt
Norm | Kernaussage | Relevanz |
---|---|---|
§ 22 Abs 1 SchUG | „Am Ende des Unterrichtsjahres … ist für jede Schülerin und jeden Schüler ein Jahreszeugnis auszustellen.“ ris.bka.gv.at | Begründet die unbedingte Ausstellungspflicht – ohne Antrag. |
§ 18a SchUG | Alternative Leistungsinformation nur für 1. & 2. Klasse; ab der 3. Klasse gilt wieder Notenzeugnis. jusline.at | Schließt freiwillige „zeugnisfreie“ Modelle in der 3. Klasse aus. |
Rundschreiben 06/2024 der Bildungsdirektion STMK | erinnert Schulleitungen ausdrücklich an die Pflicht, Jahreszeugnisse fristgerecht auszuhändigen. rundschreiben.bmbwf.gv.at | |
§ 73 AVG | Behörde muss über Anträge binnen 6 Monaten entscheiden; Säumnisrechte (Devolutionsantrag/Säumnisbeschwerde). ris.bka.gv.at | |
Website BVwG – Fachbereich Schulrecht | erklärt Instanzenzug: Beschwerde gegen Bescheide der Bildungsdirektion geht ans BVwG. bvwg.gv.at |
Konsequenz: Für die 3. Schulstufe besteht kein Ermessensspielraum. Die Schule darf das Zeugnis nicht zurückhalten, weder wegen offener Schulbuchrückgaben noch unter Hinweis auf eine „Mitnahmepflicht“ der Eltern.
2 | Pflichten der Schule & typische Stolpersteine
Praxisproblem | Rechtliche Bewertung | Schnelllösung |
---|---|---|
Zeugnis wird nur auf ausdrückliches Ansuchen ausgegeben | Verstoß gegen § 22 Abs 1 SchUG | Schriftliche Erinnerung, s. unten |
Direktion verweigert Aushändigung wegen fehlender Bücher | Unzulässig – Lernmittelfragen sind kein Pfandrecht | Sofortige Erinnerung; Hinweis auf Dienstaufsichtsbeschwerde |
Lehrkraft legt erst nach Ferienprüfung Note fest → kein komplettes Zeugnis | Schule darf ein vorläufiges Zeugnis (§ 22 Abs 5) ausstellen, aber nur in genau diesem Sonderfall | Verlangen des vorläufigen Zeugnisses |
3 | Muster A: „Schriftliche Erinnerung“ an die Direktion
Absender: [Name der Erziehungsberechtigten]
Adresse
E-Mail + Tel.
An die Direktion der [Schule], [Schuladresse][Ort], [Datum]
Betreff: Erinnerung gem. § 22 SchUG – Ausstellung und Aushändigung des Jahreszeugnisses für [Name des Kindes], 3. Klasse VS
Sehr geehrte Frau Direktorin / sehr geehrter Herr Direktor!
Am [letzter Schultag, Datum] wurde meinem Kind das gesetzlich vorgeschriebene Jahreszeugnis (§ 22 Abs 1 SchUG) **nicht** ausgefolgt. Eine Aushändigung „nur auf Verlangen“ ist von § 22 SchUG nicht gedeckt.
Ich ersuche daher, das Original-Jahreszeugnis spätestens **innerhalb von fünf Werktagen** (bis zum …) auszuhändigen oder mir einen konkreten Abholtermin zu nennen.
Für den Fall weiterer Verzögerung behalte ich mir vor, Dienstaufsichtsbeschwerde bei der Bildungsdirektion [Bundesland] zu erheben.
Mit freundlichen Grüßen [Unterschrift]
Tipps zur Zustellung
- Ideal: eingeschriebener Brief und Scan per E-Mail (für schnellen Nachweis).
- Frist: 5–7 Werktage gelten als „angemessen“.
- Alle Belege (Rückschein, E-Mails) sammeln – sie werden später für die Beschwerde gebraucht.
4 | Muster B: Dienstaufsichtsbeschwerde an die Bildungsdirektion
Absender …
An die Bildungsdirektion [Bundesland]
Abteilung Präs/2 (Schulrecht) [Adresse der BD][Ort], [Datum]
Betreff: Dienstaufsichtsbeschwerde gem. Art 127 B-VG iVm § 46 BD-G – Nichterteilung eines Jahreszeugnisses
Sehr geehrte Damen und Herren!
Trotz schriftlicher Erinnerung vom … (Beilage 1) verweigert die Direktion der [Schule] die Aushändigung des Jahreszeugnisses für mein Kind [Name] (3. Klasse Volksschule).
Dies verstößt gegen § 22 Abs 1 SchUG; eine Ausnahme nach § 18a SchUG liegt nicht vor.
**Ich beantrage,**
1. die Direktion zur sofortigen Ausstellung und Aushändigung des Zeugnisses anzuweisen und
2. mich über die ergriffenen Maßnahmen schriftlich zu informieren.
Beilagen:
1. Erinnerungsschreiben vom …
2. Zustellnachweis
3. [weitere Belege, z. B. E-Mail-Korrespondenz]
Mit freundlichen Grüßen [Unterschrift]
Hinweise zum Verfahren
Schritt | Frist | Outcome |
---|---|---|
Eingang bei Bildungsdirektion (BD) | keine gesetzliche Frist, in der Praxis 2–4 Wochen | BD prüft, spricht mit Schule, erteilt ggf. Weisung |
Keine Reaktion / Untätigkeit der BD | nach 8 Wochen zweckmäßig | Antrag auf förmlichen Bescheid: „Ich ersuche um Erlassung eines Bescheides gemäß § 73 AVG.“ |
Negativer oder kein Bescheid binnen 6 Monaten | § 73 AVG | Säumnisbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) |
5 | Instanzenzug & Rechtsschutz
- Schule
Pflichtverstöße → Erinnerung & Dienstaufsichtsbeschwerde - Bildungsdirektion (Landesbehörde)
erlässt Bescheide; dagegen Beschwerde ans BVwG bvwg.gv.at - Bundesverwaltungsgericht
unabhängiges Gericht; entscheidet endgültig, anwaltliche Vertretung ist nicht zwingend.
6 | FAQ
Frage | Antwort |
---|---|
Brauche ich für die Erinnerung einen Anwalt? | Nein. Ein formloses, aber klares Schreiben reicht völlig. |
Kann die Schule stattdessen eine „Jahresinformation“ (§ 18a) ausstellen? | Nur in der 1. oder 2. Klasse. Ab der 3. Klasse ist zwingend ein Notenzeugnis. jusline.at |
Ist das Zeugnis für die Anmeldung ans Gymnasium schon in der 3. Klasse nötig? | Viele AHS verlangen eine Kopie zur Voranmeldung; gesetzliche Aufnahmevoraussetzung bleibt aber das Zeugnis der 4. Klasse. |
Kann die Direktion das Zeugnis digital schicken? | Zulässig zusätzlich (Zeugnisformularverordnung), ersetzt aber nicht das Original mit Amtssiegel. |
Mein Kind hat eine gestundete Nachtragsprüfung (§ 22 Abs 5). Was bekomme ich? | Ein vorläufiges Jahreszeugnis mit Stundungsvermerk; nach bestandener Prüfung wird das echte Zeugnis automatisch nachgereicht. ris.bka.gv.at |
Schlusswort
Für Eltern mit juristischem Grundwissen ist der Weg klar: § 22 SchUG verleiht einen unbedingten Anspruch auf das Jahreszeugnis in der 3. Klasse Volksschule. Wird das Dokument nicht automatisch ausgegeben, genügt meist ein bestimmtes Erinnerungsschreiben. Zeigt sich die Schule uneinsichtig, bietet die Dienstaufsichtsbeschwerde bei der Bildungsdirektion ein rasches und kostengünstiges Mittel – und erst in letzter Konsequenz folgt der Instanzenzug vor das Bundesverwaltungsgericht. Mit den obigen Mustervorlagen sind Sie dafür bestens gerüstet.