Uni Graz „Recht und politisches System“
  1. EU-Rechtsvorschriften: Die Europäische Union erlässt verschiedene Arten von Rechtsakten, wie Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen, Empfehlungen und Stellungnahmen. In Österreich sind EU-Verordnungen unmittelbar anwendbar, während EU-Richtlinien in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Die EU-Rechtsvorschriften haben grundsätzlich Vorrang vor dem nationalen Recht, wenn es zu Konflikten zwischen beiden kommt.
  2. Verfassungsrecht: Die österreichische Bundesverfassung ist die höchste Rechtsnorm des Landes und regelt grundlegende Prinzipien wie die Gewaltenteilung, Grundrechte und die Organisation von Staat und Regierung. Sie besteht aus verschiedenen Verfassungsgesetzen und -bestimmungen und steht an der Spitze der nationalen Rechtsordnung.
  3. Einfache Gesetze: Einfache Gesetze sind Rechtsvorschriften, die von den österreichischen Parlamenten (Nationalrat und Bundesrat) erlassen werden und eine Stufe unter der Verfassung stehen. Sie regeln eine Vielzahl von Themen wie das Zivilrecht, das Strafrecht, das Verwaltungsrecht und das Sozialrecht. Einfache Gesetze müssen mit der Verfassung vereinbar sein und können vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden, wenn sie gegen die Verfassung verstoßen.
  4. Verordnungen: Verordnungen sind Rechtsakte, die von der Exekutive (Regierung, Ministerien oder andere Verwaltungsbehörden) erlassen werden, um die Durchführung von Gesetzen zu regeln und zu konkretisieren. Sie stehen in der Hierarchie unter den einfachen Gesetzen und müssen diesen entsprechen. Verordnungen können von den Verwaltungsgerichten auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden.
  5. Einzelakte und individuelle Rechtsakte: Einzelakte und individuelle Rechtsakte sind Entscheidungen, die von Verwaltungsbehörden oder Gerichten in einzelnen Fällen getroffen werden. Sie betreffen die Anwendung von Gesetzen und Verordnungen auf konkrete Sachverhalte und Personen. Diese Entscheidungen müssen den höheren Rechtsnormen entsprechen und können von höheren Gerichten oder Verwaltungsgerichten überprüft werden.

Entstehung von Bundesrecht (Art 41-49 B-VG)

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alternative Darstellung

Folien „Recht und politisches System“
  1. Gesetzesvorlage: Die Initiative für ein neues Gesetz kann von Regierungsmitgliedern, Nationalratsabgeordneten, Bundesländern oder im Rahmen einer Volksbegehrens stammen. Die Vorlage enthält den Text des vorgeschlagenen Gesetzes sowie eine Begründung und gegebenenfalls eine Erläuterung.
  2. Nationalrat:
    1. Einlangen: Die Gesetzesvorlage wird im Nationalrat eingebracht und den Abgeordneten zur Kenntnis gebracht.
    2. Zuweisung: Die Vorlage wird an den zuständigen Ausschuss des Nationalrats verwiesen, der für die inhaltliche Prüfung und Vorberatung zuständig ist.
    3. Vorberatung: Der Ausschuss berät die Gesetzesvorlage und kann Änderungen oder Ergänzungen vorschlagen.
    4. Berichterstattung: Der Ausschuss erstellt einen Bericht über die Gesetzesvorlage, der dem Nationalrat zur Verfügung gestellt wird.
    5. Debatte: Die Abgeordneten debattieren die Gesetzesvorlage im Plenum des Nationalrats, wobei sie ihre Meinungen und Standpunkte äußern können.
    6. Abstimmung: Der Nationalrat stimmt über die Gesetzesvorlage ab. Für einfache Gesetze ist eine einfache Mehrheit erforderlich, für Verfassungsgesetze eine Zweidrittelmehrheit.
  3. Bekanntgabe: Nach der Annahme des Gesetzes durch den Nationalrat wird der Bundesrat darüber informiert.
  4. Bundesrat:
    1. Einspruchsrecht: Der Bundesrat hat ein suspensives Vetorecht bei einfachen Gesetzen und kann den Beschluss des Nationalrats ablehnen.
    2. Vorberatung: Bei Einspruch gegen das Gesetz berät der zuständige Ausschuss des Bundesrats die Vorlage.
    3. Berichterstattung: Der Ausschuss erstellt einen Bericht über die Gesetzesvorlage, der dem Bundesrat zur Verfügung gestellt wird.
    4. Debatte: Die Mitglieder des Bundesrats debattieren die Gesetzesvorlage und äußern ihre Meinungen und Standpunkte.
    5. Abstimmung: Der Bundesrat stimmt über den Einspruch ab. Wenn der Einspruch angenommen wird, geht die Gesetzesvorlage zurück an den Nationalrat.
  5. Kein Einspruch: Wenn der Bundesrat keinen Einspruch erhebt oder der Einspruch abgelehnt wird, gilt das Gesetz als angenommen.
  6. Nationalrat (nur bei Einspruch des Bundesrats):
    1. Einlangen: Die Gesetzesvorlage wird erneut im Nationalrat eingebracht.
    2. Zuweisung: Die Vorlage wird wieder an den zuständigen Ausschuss verwiesen.
    3. Vorberatung, Berichterstattung, Debatte: Diese Schritte wiederholen sich wie zuvor beschrieben.
    4. Abstimmung: Der Nationalrat stimmt erneut über die Gesetzesvorlage ab. Bei Annahme spricht man von einem Beharrungsbeschluss des Nationalrates. Dieser Beschluss hebt den Einspruch des Bundesrates auf und das Gesetz wird angenommen.
  7. Beurkundung: Der Bundespräsident prüft das Gesetz auf seine Verfassungsmäßigkeit und unterzeichnet es zur Beurkundung, wenn er keine verfassungsrechtlichen Bedenken hat.
  8. Gegenzeichnung: Der Bundeskanzler oder der zuständige Bundesminister (je nach Gesetz) unterzeichnet das Gesetz ebenfalls. Die Gegenzeichnung bestätigt die Zustimmung der Regierung zum Gesetz.
  9. Kundmachung: Das Gesetz wird im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, womit es offiziell in Kraft tritt. Die Veröffentlichung stellt sicher, dass das Gesetz der Öffentlichkeit zugänglich ist und angewendet werden kann.

Bezüglich des „suspensiven Vetorrechts“ des Bundesrates gibt es 3 Möglichkeiten:

  • Beschluss, keinen Einspruch zu erheben – gilt als angenommen weiter mit Punkt 7
  • Verstreichen der 8-wöchigen Einspruchsfrist – gilt als angenommen weiter mit Punkt 7
  • Begründeter Einspruch in der Frist – dann wird mit Punkt 6 fortgefahren

Unterschiede zwischen Bundesrecht und Verfassungsrecht

In Österreich unterscheiden sich die Verfahren zur Schaffung von Verfassungsgesetzen und einfachen Gesetzen in Bezug auf die Anforderungen an Mehrheiten und Zustimmungsverfahren im Parlament. Hier sind die Hauptunterschiede:

Verfassungsgesetze:

  1. Verfassungsgesetze sind Teil der österreichischen Verfassung und legen grundlegende Prinzipien und Strukturen des politischen Systems fest, wie z.B. Grundrechte, Gewaltenteilung und die Organisation von Staat und Regierung.
  2. Die Verabschiedung eines Verfassungsgesetzes oder einer Verfassungsänderung erfordert im Nationalrat eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden Abgeordneten, sofern mindestens die Hälfte der Abgeordneten anwesend ist. Das bedeutet, dass für die Annahme einer Verfassungsänderung eine breite Zustimmung über Parteigrenzen hinweg erforderlich ist.
  3. In bestimmten Fällen, wie z.B. bei einer grundlegenden Änderung der Bundesstaatsorganisation, muss eine Volksabstimmung durchgeführt werden.
  4. Der Bundesrat, die zweite Kammer des österreichischen Parlaments, hat bei Verfassungsgesetzen grundsätzlich ein suspensives Vetorecht. Das bedeutet, dass der Bundesrat den Beschluss des Nationalrats verweigern kann, woraufhin der Nationalrat den Beschluss nochmals bekräftigen muss. In einigen Fällen, z.B. bei der Änderung von Bundeskompetenzen, hat der Bundesrat jedoch ein absolutes Vetorecht.

Einfache Gesetze:

  1. Einfache Gesetze regeln eine Vielzahl von Themen, die nicht auf Verfassungsebene geregelt sind, wie z.B. Zivilrecht, Strafrecht, Verwaltungsrecht und Sozialrecht.
  2. Die Verabschiedung einfacher Gesetze im Nationalrat erfordert in der Regel eine einfache Mehrheit der anwesenden Abgeordneten. Das bedeutet, dass für die Annahme eines einfachen Gesetzes nur die Zustimmung einer Mehrheit der Abgeordneten erforderlich ist, die an der Abstimmung teilnehmen.
  3. Volksabstimmungen sind bei einfachen Gesetzen im Allgemeinen nicht erforderlich.
  4. Der Bundesrat hat auch bei einfachen Gesetzen ein suspensives Vetorecht. Wenn der Bundesrat den Beschluss des Nationalrats ablehnt, kann der Nationalrat den Beschluss mit einer erneuten Abstimmung bekräftigen. Das Vetorecht des Bundesrates ist in diesen Fällen weniger stark als bei Verfassungsgesetzen.

Zusammenfassend sind Verfassungsgesetze in Österreich schwieriger zu verabschieden als einfache Gesetze, da sie höhere parlamentarische Mehrheiten und in einigen Fällen eine Volksabstimmung erfordern.

Entstehung von Landesrecht

In Österreich entsteht Landesrecht auf Ebene der Bundesländer. Jedes der neun Bundesländer hat seine eigene Landesverfassung und ein eigenständiges Gesetzgebungsverfahren. Die Landesgesetzgebung ist für alle Angelegenheiten zuständig, die nicht ausdrücklich dem Bund zugeschrieben sind (Subsidiaritätsprinzip).

Die Gesetzgebung auf Landesebene wird von den Landtagen der Bundesländer durchgeführt. Hier ist eine Übersicht des Prozesses zur Schaffung von Landesrecht in Österreich:

  1. Gesetzesinitiative: Ein Gesetzentwurf kann von Landtagsabgeordneten, der Landesregierung oder durch Volksbegehren eingebracht werden. (§ 28 steirische Landesverfassung)
  2. Erste Lesung: Der Gesetzentwurf wird im Landtag eingebracht und in erster Lesung besprochen. Hierbei wird die allgemeine Ausrichtung des Gesetzes diskutiert und über mögliche Änderungen debattiert. (§ 29/1)
  3. Ausschussberatung: Nach der ersten Lesung wird der Gesetzentwurf an einen Ausschuss (Fachausschuss) überwiesen, der für das betreffende Themengebiet zuständig ist. Der Ausschuss prüft den Gesetzentwurf und kann Änderungen vorschlagen. (§ 29/2)
  4. Zweite Lesung: Nach der Ausschussberatung kehrt der Gesetzentwurf in den Landtag zurück, wo in der zweiten Lesung über die vom Ausschuss vorgeschlagenen Änderungen abgestimmt wird. (nicht explizit in der Landesverfassung der Steiermark geregelt, aber politische Praxis)
  5. Dritte Lesung und Beschlussfassung: In der dritten Lesung findet die abschließende Diskussion und die Abstimmung über den Gesetzentwurf statt. Wenn der Gesetzentwurf die Mehrheit der Stimmen im Landtag erhält, wird er angenommen. (§ 29/1 Beschlussfassung)
  6. Gegenzeichnung und Kundmachung: Nach der Annahme des Gesetzes im Landtag wird es vom Landeshauptmann oder einem anderen Vertreter der Landesregierung gegengezeichnet und anschließend im Landesgesetzblatt kundgemacht. (§ 34)
  7. Inkrafttreten: Das Landesrecht tritt zu dem im Gesetz festgelegten Zeitpunkt in Kraft. Wenn kein besonderer Zeitpunkt festgelegt ist, tritt das Gesetz in der Regel mit der Kundmachung im Landesgesetzblatt in Kraft. (§ 35)