Eine Preislücke, häufig einfach als „Gap“ bezeichnet, ist eine erkennbare Lücke oder ein Raum auf einem Preisdiagramm eines Wertpapiers, bei dem keine Handelsgeschäfte stattgefunden haben. Sie repräsentiert eine Diskrepanz zwischen dem Schlusskurs einer Handelsperiode und dem Eröffnungskurs der nächsten Periode.

Gründe für Gaps

Gaps können aus einer Vielzahl von Gründen auftreten:

  1. Nachrichten oder Ereignisse: Dies ist der häufigste Grund für das Entstehen von Gaps. Unerwartete Nachrichten oder bedeutende Ereignisse, die nach Börsenschluss oder vor Börseneröffnung auftreten, können die Wahrnehmung oder Bewertung eines Wertpapiers erheblich verändern, was zu einem plötzlichen und signifikanten Anstieg oder Rückgang des Preises führt, wenn der Handel wieder aufgenommen wird.
    • Einkommensberichte: Wenn ein Unternehmen seine Quartals- oder Jahresergebnisse veröffentlicht und diese die Erwartungen der Anleger deutlich über- oder unterschreiten, kann dies zu Preislücken führen.
    • Wirtschaftsnachrichten: Makroökonomische Daten, Zentralbankentscheidungen oder geopolitische Ereignisse können erhebliche Auswirkungen auf den Markt haben.
    • Unternehmensnachrichten: Fusionen, Übernahmen, regulatorische Entscheidungen oder andere große unternehmensspezifische Nachrichten können zu Gaps führen.
    • Marktpsychologie: Manchmal können auch technische Faktoren oder Veränderungen in der Marktstimmung zu Gaps führen, insbesondere in weniger liquiden Märkten.
  2. Geringe Liquidität: In Märkten oder bei Wertpapieren mit geringer Liquidität können Gaps häufiger auftreten, da es weniger Käufer und Verkäufer gibt, die den Preis stetig halten.
  3. Technische Faktoren: Manchmal können Gaps durch technische Faktoren entstehen, beispielsweise wenn ein Preisniveau, das als Unterstützung oder Widerstand galt, durchbrochen wird und dies automatische Handelsorders auslöst.

Arten von Gaps

Es gibt verschiedene Arten von Gaps: [1]

  1. Common Gap (Gewöhnliche Lücke): Dies sind kleine Gaps, die regelmäßig auf Preisdiagrammen auftreten. Sie haben normalerweise keine größere technische Bedeutung und werden oft schnell „geschlossen“ (d.h. der Preis kehrt zurück und füllt die Lücke).
  2. Breakaway Gap (Ausbruchslücke): Diese Gaps treten auf, wenn sich der Preis eines Wertpapiers aus einer Konsolidierungsphase oder einem anderen Chartmuster heraus bewegt. Sie können den Beginn eines neuen Trends signalisieren.
  3. Runaway Gap (Beschleunigungslücke): Dies sind Gaps, die auftreten, wenn ein bereits bestehender Trend an Schwung gewinnt. Sie werden oft als Bestätigung des aktuellen Trends gesehen.
  4. Exhaustion Gap (Erschöpfungslücke): Diese Art von Gap tritt auf, wenn ein Preis sich schnell in Richtung des aktuellen Trends bewegt, aber dann schnell umkehrt. Es kann ein Anzeichen dafür sein, dass ein Trend zu Ende geht.
  5. Island Reversal Gap (Inselumkehr-Lücke): Dies ist eine spezielle Art von Gap, bei der ein Preis zunächst durch ein Gap in die eine Richtung springt, dann einige Tage oder Wochen in einem Bereich handelt und dann durch ein weiteres Gap in die entgegengesetzte Richtung springt, wodurch ein „Insel“-Muster entsteht.

Gaps können wertvolle Informationen für Trader und Analysten liefern, da sie oft starke Emotionen und plötzliche Veränderungen in der Angebot-Nachfrage-Dynamik widerspiegeln. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass nicht alle Gaps gleich sind und sie im Kontext des gesamten Marktes und der zugrunde liegenden Faktoren interpretiert werden sollten.

Vorhersage von Gaps

Während man eine Preislücke nicht im Voraus vorhersagen kann, gibt es Ansätze, um das Potenzial für Gaps zu bewerten:

  1. News Monitoring: Durch das ständige Überwachen von Nachrichtenquellen kann man versuchen, auf dem neuesten Stand zu bleiben und möglicherweise vorbereitet zu sein, wenn bedeutende Nachrichten veröffentlicht werden.
  2. Ereigniskalender: Durch die Nutzung von Finanzkalendern, die wichtige wirtschaftliche und unternehmensspezifische Ereignisse auflisten, können Trader potenzielle Gap-Risiken identifizieren.
  3. Technische Analyse: Einige Trader glauben, dass bestimmte Chartmuster oder technische Setups das Potenzial für Gaps anzeigen können, obwohl dies keine Garantie ist.

Es ist wichtig zu betonen, dass das Vorhersagen von Gaps unsicher ist. Das beste, was Trader tun können, ist, das Risiko zu managen, indem sie Stop-Loss-Orders verwenden und sich über wichtige anstehende Ereignisse informieren, die den Markt beeinflussen könnten.

Gaps bei Indizen

reislücken treten bei Indizes häufiger auf als bei Einzelaktien aus mehreren Gründen:

  1. Aggregation vieler Aktien: Ein Index wie der DAX repräsentiert eine Gruppe von Aktien. Eine bedeutende Bewegung in einer oder mehreren dieser Aktien kann eine Lücke im gesamten Index verursachen, selbst wenn viele der anderen Aktien nur geringfügige Bewegungen zeigen. Ein Einzelereignis in einem großen Unternehmen kann also den gesamten Index beeinflussen.
  2. Globale Einflüsse: Indizes sind oft stärker von globalen Ereignissen und Nachrichten beeinflusst als Einzelaktien. Während eine Einzelaktie hauptsächlich von unternehmensspezifischen Nachrichten beeinflusst wird, reagiert ein Index auf eine Vielzahl von Nachrichtenquellen, einschließlich wirtschaftlicher Daten, politischer Ereignisse und anderen makroökonomischen Faktoren.
  3. Höhere Sensibilität gegenüber Marktstimmungen: Da Indizes den Gesamtmarkt oder einen Sektor repräsentieren, sind sie anfälliger für Änderungen der Marktstimmung und der Risikobereitschaft der Anleger. Ein plötzlicher Stimmungswechsel oder eine Veränderung der Risikobereitschaft kann zu größeren Bewegungen und damit zu Preislücken führen.
  4. ETFs und Derivate: Viele Indizes haben zugehörige börsengehandelte Fonds (ETFs) und Derivate. Handelsaktivitäten und Arbitragemöglichkeiten in diesen Instrumenten können sich auf den Index selbst auswirken und zu Lücken führen.
  5. Markteröffnungs-Effekt: Bei der Eröffnung der Börse werden alle Aufträge, die nach Handelsschluss des Vortages und vor Handelsbeginn eingegangen sind, abgearbeitet. Dies kann zu einem Ungleichgewicht von Kauf- und Verkaufsaufträgen führen, insbesondere wenn wichtige Nachrichten nach Handelsschluss veröffentlicht wurden. Bei einem Index, der viele Aktien repräsentiert, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass solche Nachrichten zu einem signifikanten Ungleichgewicht führen.
  6. Fehlende „Market Maker“: Bei Einzelaktien gibt es oft Market Maker, die Liquidität bereitstellen und versuchen, Preislücken zu vermeiden, indem sie Kauf- und Verkaufsaufträge ausgleichen. Bei Indizes gibt es diese Art von Liquiditätsbereitstellung nicht in demselben Maße.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Natur von Indizes – als Repräsentation vieler Aktien und als Barometer für den Gesamtmarkt oder Sektoren – sie anfälliger für Preislücken macht als Einzelaktien.

Literatur