Zweck und Grundprinzipien des Übernahmegesetzes

Das österreichische Übernahmegesetz (ÜbG) ist ein rechtlicher Rahmen, der darauf abzielt, den Kapitalmarkt attraktiver zu machen und gleichzeitig Anlegerschutz zu gewährleisten. Es geht nicht nur darum, den Markt für Investitionen attraktiver zu machen, sondern auch um die Sicherstellung, dass Minderheitsaktionäre im Falle von Unternehmensübernahmen angemessen geschützt werden. Die Einhaltung internationaler Standards ist ein weiterer wichtiger Aspekt des Gesetzes

Das Gesetz basiert auf mehreren Grundprinzipien:

  • Gleichbehandlung aller Aktionäre: Jeder Aktionär sollte bei einer Übernahme gleich behandelt werden.
  • Transparenz: Umfassende Informationen sollten für alle Beteiligten zugänglich sein.
  • Verbot von Marktverzerrungen: Jegliche Art von Marktmanipulation ist untersagt.
  • Beschleunigung des Übernahmeverfahrens: Das Verfahren sollte effizient und ohne unnötige Verzögerungen ablaufen

wann greift das Übernahmegesetz?

Beispiel 1: Übernahmegesetz greift

Situation: Ein großes internationales Investmentunternehmen, die Global Invest AG, plant, die Kontrolle über die Austrian Tech AG, eine an der Wiener Börse gelistete Aktiengesellschaft, zu erwerben. Global Invest AG erwirbt zunächst 28% der Anteile an Austrian Tech AG und erwirbt dann weitere 5% von einem anderen Großaktionär.

Anwendung des Übernahmegesetzes: Durch den Erwerb dieser zusätzlichen Anteile erreicht Global Invest AG insgesamt 33% der Stimmrechte an der Austrian Tech AG. Dies stellt eine kontrollierende Beteiligung dar, da sie mehr als 30% der ständig stimmberechtigten Aktien hält​​. Gemäß § 22 des Übernahmegesetzes ist Global Invest AG nun verpflichtet, innerhalb von 20 Börsetagen ein Angebot für alle Beteiligungspapiere der Austrian Tech AG zu machen. Dieses Angebot muss den Bestimmungen des Übernahmegesetzes entsprechen, einschließlich der Verpflichtungen zur Gleichbehandlung aller Aktionäre, zur Transparenz und zur Vermeidung von Marktverzerrungen​

Beispiel 2: Übernahmegesetz greift NICHT

Situation: Ein österreichisches Familienunternehmen, die Alpen Foods GmbH, ein nicht börsennotierter Lebensmittelproduzent, plant die Übernahme eines kleineren regionalen Konkurrenten, der BioBerg GmbH. BioBerg GmbH ist ebenfalls ein nicht börsennotiertes Unternehmen.

Nichtanwendung des Übernahmegesetzes: Da BioBerg GmbH nicht an einer Börse gelistet ist, fällt sie nicht unter die Definition einer Zielgesellschaft im Sinne des Übernahmegesetzes. Das Übernahmegesetz gilt vornehmlich für öffentliche Angebote zum Erwerb von Beteiligungspapieren, die von einer Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland ausgegeben wurden und an einer österreichischen Börse zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind​​. Da die BioBerg GmbH nicht die Kriterien einer börsennotierten Aktiengesellschaft erfüllt, ist das Übernahmegesetz in diesem Fall nicht anwendbar. Die Übernahme würde somit außerhalb des Rahmens des Übernahmegesetzes erfolgen und stattdessen durch allgemeine gesellschaftsrechtliche Regelungen bestimmt.

Begriffsbestimmungen

Das Übernahmegesetz definiert Schlüsselbegriffe wie Übernahmeangebot, Zielgesellschaft, Bieter und Beteiligungspapiere. Ein Übernahmeangebot ist ein öffentliches Angebot an die Inhaber von Beteiligungspapieren einer Aktiengesellschaft, entweder gegen Barzahlung oder im Austausch gegen andere Wertpapiere

Ablauf einer Übernahme

Im Übernahmeprozess sind bestimmte Schritte und Pflichten zu beachten:

  • Pflichten des Bieters: Der Bieter muss sicherstellen, dass er die Gegenleistungen erbringen kann und Insiderhandel sowie Marktverzerrungen vermeiden​​.
  • Bekanntmachungspflichten: Der Bieter ist zur Geheimhaltung verpflichtet, um ein vorzeitiges Bekanntwerden seiner Absichten zu verhindern. Gleichzeitig muss er seine Absichten unverzüglich bekanntgeben, sobald dies erforderlich ist, um Marktverzerrungen und Missbrauch von Insiderinformationen zu verhindern​​.
  • Inhalt der Angebotsunterlagen: Diese Unterlagen müssen eine Vielzahl von Informationen enthalten, darunter die Details des Angebots, Informationen über den Bieter, die angebotenen Beteiligungspapiere, die Gegenleistung und die Bedingungen des Angebots

Übernahekommission

Die Übernahmekommission spielt eine zentrale Rolle im Übernahmeprozess. Sie fungiert als Aufsichtsbehörde, überwacht die Einhaltung des Gesetzes, prüft Angebotsunterlagen, kontrolliert den Angebotsvorgang und entscheidet über Angebotspflicht und Ausnahmen

Quelle

Sanktionen

Wenn sich ein Bieter oder eine beteiligte Partei nicht an das österreichische Übernahmegesetz (ÜbG) hält oder es zu Fehlern im Rahmen des Übernahmeprozesses kommt, können verschiedene Sanktionen greifen. Diese Sanktionen können von finanziellen Strafen bis hin zu rechtlichen Konsequenzen reichen. Hier sind einige mögliche Sanktionen:

  1. Finanzielle Strafen: Verstöße gegen das Übernahmegesetz können mit Geldstrafen geahndet werden. Diese Strafen können erheblich sein und sollen ein abschreckendes Beispiel setzen, um die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu gewährleisten.
  2. Verwaltungsstrafverfahren: Die Übernahmekommission kann Verwaltungsstrafverfahren gegen Unternehmen oder Personen einleiten, die gegen das Übernahmegesetz verstoßen. Solche Verfahren können neben Geldstrafen auch zu anderen verwaltungsrechtlichen Sanktionen führen​​.
  3. Anfechtung der Übernahme: Bei schwerwiegenden Verstößen kann die Gültigkeit der Übernahme selbst angefochten werden. Dies kann bedeuten, dass die Übernahme rückgängig gemacht werden muss oder dass bestimmte Aspekte der Übernahme neu verhandelt werden müssen.
  4. Reputationsschäden: Neben den direkten rechtlichen und finanziellen Konsequenzen können Verstöße gegen das Übernahmegesetz auch zu erheblichen Reputationsschäden für die beteiligten Unternehmen und Personen führen. Dies kann sich nachteilig auf zukünftige Geschäftsbeziehungen und Investitionen auswirken.
  5. Zivilrechtliche Haftung: In bestimmten Fällen können Verstöße gegen das Übernahmegesetz auch zivilrechtliche Klagen nach sich ziehen, insbesondere wenn Aktionäre oder andere Stakeholder nachweisen können, dass sie durch die Nichteinhaltung des Gesetzes finanzielle Verluste erlitten haben.
  6. Aufsichtsrechtliche Maßnahmen: Abhängig vom Grad des Verstoßes können aufsichtsrechtliche Maßnahmen ergriffen werden, die von der Übernahmekommission oder anderen Aufsichtsbehörden durchgesetzt werden.

Es ist wichtig zu betonen, dass die genaue Art und Schwere der Sanktionen von den spezifischen Umständen des Einzelfalls abhängen wird. Die Übernahmekommission und andere Aufsichtsbehörden beurteilen jeden Fall individuell, um angemessene Sanktionen festzulegen

Bedeutung von C-546/18 für das Übernahmegesetz

Das Urteil C-546/18 des Europäischen Gerichtshofs stellt die Struktur der Übernahmekommission in Frage, da sie nicht den europarechtlichen Anforderungen entspricht. Der EuGH fordert, dass Entscheidungen durch ein unabhängiges und unparteiisches Gericht getroffen werden, was in der aktuellen Struktur der Übernahmekommission nicht der Fall ist. Dies hat bedeutende Implikationen für das Übernahmegesetz, da es Anpassungen erfordert, um mit EU-Recht konform zu gehen​

Fazit

Das österreichische Übernahmegesetz ist ein komplexer rechtlicher Rahmen, der darauf abzielt, einen fairen und transparenten Prozess für Unternehmensübernahmen zu gewährleisten. Es schützt die Interessen der Minderheitsaktionäre und trägt zur Stabilität des Kapitalmarktes bei. Das Urteil des EuGH weist jedoch auf erforderliche Anpassungen hin, um die Übereinstimmung mit EU-Recht sicherzustellen. Für Investoren, Unternehmen und Regulierungsbehörden ist es entscheidend, die Entwicklung dieser Gesetzgebung und ihre Auswirkungen auf den Markt genau zu beobachten.

Links / Literatur